Gedankenfetzen zu einem Jahr Twitter

Die Zahlen:

Ein Jahr = 12 Monate = 52 Wochen = 365 Tage = 8760 Stunden.

4325 Tweets, 195 Followings, 421 Follower, 75 Lists.

Fast alle zwei Stunden ein Tweet…

Schnell ging es rum, dieses Jahr. Und doch zog es sich. Twitter hat mir sicherlich viele langwierige Momente versüßt, war Ablenkung und Ventil, letztes vor allem in den grad erst vergangenen Wochen.
Ich sitze nun hier, blicke zurück und kann anhand meiner TL einen ziemlich guten Rückblick auf meine Aktivitäten in dieser Zeit tätigen. Ich kann eine Entwicklung nachlesen, die ich ohne diese 140 Zeichen kurzen Textfetzen wohl so nicht würde sehen können.
Ich reflektiere viel momentan, zweifle viel, stelle in Frage. Aber ich entdecke auch vieles neu, erfreue mich, erweitere meinen Horizont. Und ich habe meinen Spieltrieb wieder gefunden.

Ich habe durch Twitter bereits so vieles neu dazu gewonnen, sehr viel persönliches, welches hier zu großen Teilen unerwähnt bleiben muss, weil es eben einfach zu privat ist. Aber ich trage es im Herzen und kann eventuell die Gefühle dazu teilen. Einiges möchte ich aber auch nicht unerwähnt lassen, befürchte aber, dass dann dieser Text in einen erweiterten #ff Text ausarten würde. Auch das möchte ich nicht, denn es würde nicht allen und allem gerecht, was ich dazu empfinde.

Ich dreh mich im Kreis, was will ich schreiben, was will ich ausdrücken, und wieso zum Teufel würde das irgendjemand lesen wollen?

Womit ich im Grunde genommen bei meiner Anfangszeit von Twitter bin. Dann fang ich doch einfach dort an.

Den account habe ich bereits seit dem 5. März 2009, ursprünglich nur angelegt, um bei der annual global conference meiner damaligen Firma zu verfolgen, was unser senior management so treiben würde. Ein reiner Leseaccount. Ich habe mir dann noch einige news accounts in die TL geholt und einige die Londonbezogenes twittern. Nach Ende der conference dominierten dann nur noch die news und das ganze lief sich für mich aus. Ich widmete mich meinem damals noch sehr anderem RL und war damit ganz happy.

Ich weiß gar nicht mehr, was genau der Auslöser war, dass ich mich dann Monate später Twitter wieder zuwandte. Aber ich tat es und wenn ich mir jetzt so die ersten Tweets anschaue, sind sie mir ein bisschen peinlich. Auch unklar ist mir, nach welchem Prinzip ich meine ersten Followings fand. Einige, denen ich am Anfang folgte und die ich auch eine Weile durchaus interessiert las, sind mittlerweile entfolgt und ich vermisse sie auch nicht. Es waren einige der vermeintlich “großen Twitterer” dabei.
Die meisten aber, denen ich damals folgte, sind auch heute noch in meiner TL vertreten und missen möchte ich sie auf keinen Fall. Ich folge selten spontan, schau mir normalerweise eine ganze Weile das Profil an und entscheide dann, ob ich folgen möchte, denn das Entfolgen fällt mir schwer. Ich möchte mich am liebsten immer entschuldigen, wenn ich dann doch mal jemanden entfolge, aber irgendwie ist das auch doof. Aber ich habe mir ein Limit von 200 Followings gesetzt, mehr überfordert mich. Denn wenn es zu viel wird, dann les ich keinen mehr richtig, das mag ich dann auch nicht. Ich glaube, ich habe noch keinen wieder entfolgt, der einen geschlossenen account hat. Auch wenn ich dort nicht vortesten konnte, hat es sich bei denen, wo ich es gewagt habe gelohnt zu folgen und ich bin geblieben.

Wie mich meine Follower gefunden haben und warum sie entschieden haben, mir zu folgen und vor allem auch zu bleiben, ist mir schleierhaft. Besonders in den letzten 15 Wochen, seit meiner ungewollten Trennung, hat sich meine Followerzahl fast verdoppelt und einerseits freut mich das (trotz des Anlasses), zum anderen finde ich das befremdlich. Leidendes, nörgelndes und deprimiertes zu lesen zu bekommen, scheint irgendwie auf Twitter doch etwas nachgefragter, als Tweets fröhlicheren Inhaltes.
Aber es hat mir immens geholfen, die letzten Wochen zu überstehen, dass da so viele doch eigentlich Fremde sind, die plötzlich gar nicht mehr fremd zu sein scheinen. Denn ihr ward und seid für mich da, auf eine Art und Weise, die nur sehr schwer in Worte zu fassen ist, die mich aber in einigen Momenten echt vorm durchdrehen gerettet hat. Ich kann gar nicht genug Danke dafür sagen.

Aber noch mal zurück zum Anfang. Zunächst wollte ich nur ein wenig beobachten, lesen, mitbekommen, um wieder einen Zugang zu Deutschland und der Sprache zu bekommen, denn beides ist mir sehr fremd geworden in meinen sechs Jahren auf der Insel. Was passiert so in Deutschland, wie ist die Stimmung, was sind die Themen, die die Menschen bewegen. Von allem hatte ich keine Ahnung und wusste doch, dass es bald wieder eine Rolle für mich würde spielen müssen. Ich wollte mich annähern, aber fühlte mich doch manches mal sehr fehl am Platz, denn ich bin und bleibe ein Zahlenmensch und die Fähigkeit mit der Sprache zu spielen, mit Worten zu jonglieren ist mir nicht gegeben. Dennoch habe ich mich daran versucht, habe erst allen möglichen Blödsinn getwittert, der mir so in den Kopf kam. Manch ein Tweet war dann auch ein mehr oder weniger gequälter Versuch es doch mal mit der Wortspielerei zu versuchen.

Ich unternehme immer wieder den Versuch, mich davon zu befreien, zu sehr darüber nachzudenken ob und wie ich was twittern soll. Ich möchte eigentlich für mich schreiben, mein Ventil nutzen, mir mein Twitter selber basteln. „Twitter ist, was Du draus machst.“ Es steht ja jedem frei mich zu entfolgen, den es nicht interessiert. Und dennoch, je mehr mich lesen, desto mehr zweifle ich, denk ich nach; warum liest jemand dies nur?
Aber ich kann es ja auch kaum selber beantworten, ich folge auch vielen, bei denen ich auf die Frage nach dem Warum eigentlich nur ein „weil es mich interessiert“ wiedergeben kann, ohne den Finger drauf legen zu könne, was es jetzt genau ist, was ich interessant finde.

Es ist ein vertrauter Raum geworden, wenn ich in meine TL blicke ist es ein bisschen wie auf eine gemütliche Party zu kommen. Bekannte Gesichter, unterschiedliche Gespräche, es hat was behagliches, es ist ein „safe space“ für mich. Auch eine gewisse Stetigkeit hat sich rauskristallisiert. Bestimmte Guten Morgen oder Nacht tweets von einigen, egal ob immer gleich oder immer variiert, sie geben mir eine Stabilität, die mir gut tut.

Erst sehr langsam und dann plötzlich doch sehr schnell hat sich mein Twitterleben entwickelt. Eine erste Empfehlung brachte massig neue Follower und eine erste Tweetblockade, die wiederum in lauter wunderbare Aufmunterungen und Gespräche mündete. Da wuchsen mir die ersten ans Herz. Dann vor Weihnachten bekam ich, durch einen RT aufmerksam gemacht, eine dieser Unterstützungsaktionen mit, die unter anderem Twitter für mich sehr besonders machen. Ich verfolgte das Geschehen, versuchte auch zu helfen und fühlte mich plötzlich Menschen ganz nah, die ich überhaupt nicht kannte.

Die Vorbereitungen auf meine Rückkehr nach Deutschland liefen an und ich kombinierte einen Trip nach Hamburg mit dem Besuch der #immfv4 Ausstellung. Die Vorfreude war groß endlich einige live und auch andere neu kennen zu lernen. Aber auch die Nervosität plötzlich eigentlich fremden Leuten tatsächlich real gegenüber zu stehen war immens groß. Dass es sich gelohnt hat, bräuchte ich wahrscheinlich nicht einmal zu erwähnen. Ähnliche Mischgefühle hatte ich, als ich mich auf den Weg zur #motpa nach Augsburg machte, und auch dort hat es sich selbstverständlich gelohnt. Ich habe wieder eine Reihe wundervoller Menschen kennen gelernt.

Einige weitere Treffen in kleinerem Rahmen, persönlichere Gespräche und für mich unheimlich bereichernde Kontakte haben sich mittlerweile entwickelt. Ich gehe auch sonst nicht leichtfertig mit dem Begriff um, aber ich denke bei einigen kann man schon von Freundschaft sprechen.
Insbesondere in den vergangenen Wochen habe ich viel freundschaftliches, auch liebevolles Kümmern erfahren dürfen, was mich sehr be- und gerührt hat und wofür ich sehr dankbar bin.

Tja, (m)ein erstes Twitter-Jahr. Wahrscheinlich so konfus und sprunghaft wie meine Gedankensprünge hier, mit Höhen und Tiefen, Variationen und Stetigem, Lachen und Weinen, Belanglosem und Bereicherndem, Freude und Trauer…

Leben, eben.

Ich danke meinen Followern ebenso wie meinen Followings für ein reichhaltiges Jahr voller Leben auf Twitter!


Einige ganz besonderen „Danke“ möchte ich noch loswerden, aber da es eben nicht in einen #ff oder eine Beweihräucherung ausarten soll und auch teils sehr persönlich ist, werden diese anonym sein, in der Hoffnung, dass sich die Gemeinten dennoch wieder erkennen. Auch die Reihenfolge ist zufällig und ohne Wertigkeit.

• Ich danke Dir für ganz Vieles, aber insbesondere für ein Telefonat zu einem ganz kritischen Zeitpunkt!

• Ich danke Dir für Dich, für Dich in meinem Leben, wie eine große Schwester, dafür, dass Du mich siehst auf die Art und Weise, wie Du mich siehst.

• Ich danke Dir für ganz viel Wärme und Herzlichkeit, für Licht und Leben, Optimismus und Stärke!

• Ich danke Dir dafür, dass Du Dich auf meine chaotischen Assoziationssprünge einlässt, eine meiner ungewöhnlicheren Interessen nicht nur verstehst sondern auch teilst und mir dadurch geholfen hast, einen Teil meiner Unbeschwertheit zurückzuerobern.

• Ich danke Dir für eine Stetigkeit von Anfang an, für ein „immer da sein“, fürs Unsicherheit nehmen vor der immfv4 und für großartige Tweets, die so viel Wahrheit in sich tragen.

• Ich danke Dir fürs Aufpassen und safety net stricken, für Deine Nachfragen, Deine Nachdenklichkeit und dafür, was Du siehst.

• Ich danke Dir für Deine beruhigende Art und Ausstrahlung, Deinen Humor, für die feinen und die provozierenden Töne.

• Ich danke Dir für eine Vertrautheit und die Konstanz von ganz früh an, und Hilfestellung bei der mentalen Vorbereitung auf die #immfv4.

• Ich danke Dir für Deinen Humor, vor allem in Bezug auf weibliche Anverwandte und für die Lichtblicke in der Provinz, dafür, dass Du mir Lachen schenkst.

• Ich danke Dir für eine Nähe der ganz besonderen Art, fürs Teilhaben lassen und teilnehmen.

• Ich danke Dir für Deine Kraft, Deine Stärke, Deinen Mut und Deine Unermüdlichkeit, die Du trotz Widrigkeiten immer wieder zeigst, ich danke Dir für die Inspiration und das Vorbild, welches Du mir und anderen dadurch gibst.

• Ich danke Dir für Dein Zuhören nach der #immfv4 und den Respekt mit dem Du das Gesagte aufnahmst, dafür, dass ich Dir vertrauen konnte.

• Ich danke Dir für das geteilte Leid, das Verstehen und das Halten in den stürmischen Wellen der Gefühle.

• Ich danke Dir dafür, wie Du Dich so ganz unaufdringlich und bedacht in meine TL gezaubert hast, in der Du immer wieder Nachdenkliches, Weises und Aufmunterndes zum besten gibst.

• Ich danke Dir für Ablenkung der etwas anderen Art und für ganz viel ganz besonderes Vertrauen.

• Ich danke Dir dafür, dass Du all Deine Gedanken, Ängste und Unsicherheiten mit uns teilst, denn sie erinnern mich an meine Vergangenheit und daran, wie weit ich gekommen bin.

•Ich danke Dir für eines der wunderbarsten spontanen aber langen Gespräche, das ich auf der #immfv4 haben durfte, denn es hat mir eine Menge Unsicherheit genommen.

• Ich danke Dir für ein Meer an Denkanstössen, für Deine Energie, Unermüdlichkeit, dafür, dass Du inspirierend bist und Gedankengrenzen verschiebst.

• Ich danke Dir für Deine Stärke, die mir Mut macht, Dein Verständnis und für eine nächtliche Aufmunterung.

• Ich danke Dir für Deine Kreativität, denn ohne sie hätte sich Twitter für mich ganz anders, aber sicher nicht so reichhaltig entwickelt.

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19 Responses to Gedankenfetzen zu einem Jahr Twitter

  1. @morgainemay says:

    Lustig, dass ich jetzt die Erste sein werde, die einen Kommentar hier hinterlässt, und das, wo ich Dir noch gar nicht gefolgt bin (habe das umgehend geändert).
    Durch einen RT wurde ich aufmerksam und lese gerne so tolle Lobeshymnen über Twitter, weil jede davon auch immer zum Teil genau das beschreibt, wie ich es auch erlebe.

    Viel Spaß jedenfalls noch und ein langes Twitterleben 🙂

  2. Andreas Poser says:

    Sehr gut geschrieben!
    Ein wenig hab ich ja davon mitbekommen. 🙂 Und Danke, dass du nicht namentlich gedankt hast, das find ich immer so grässlich. Deine Version ist da viel schöner!
    Wünsche dir auch im nächsten Jahr viele schöne und bewegende Momente mit “unserem” Twitter…

  3. DeDitte says:

    Ach mein Eimerchen, jetzt sitze ich hier beim Friseur und habe Tränen in den Augen (nein, nicht wegen der Frisur). Ich weiß noch ziemlich genau, wo ich war als wir beide unsere ersten Replies ausgetauscht haben und bin sehr froh, dass wir uns folgen.

    Hoffentlich schaffen wir es bald uns im RL zu sehen.

    Judith

    PS: 101110 ist natürlich ein grandioses Datum für den 1. Geburtstag

    • kleinereimer says:

      Ich glaub, ich weiss es bei keinem so genau, wie bei Dir…
      RL Treffen wird kommen, ein vorfreudiger Plan für 2011!

      Meine Wette mit mir selbst hab ich durch Dein PS gewonnen… 😉 Hach!

  4. Peter Jakobs says:

    ein Jahr erst? Wirklich? Was soll ich sagen: schön, daß Du da bist 🙂

    pj

  5. geelinde says:

    Und in so einem Text sagst Du, Du könntest nicht mit Worten umgehen? Den Gegenbeweis hast Du ja wohl gerade erbracht!

    Zu Deinem Twittergeburtstag wünsche ich Dir einen ganzen Strauß weiterer positiver Erfahrungen, ein Gläschen Selbstbewusstsein und ein Haus voll Glück!

  6. doppelfish says:

    Also, ich würde mich ja dann den Worten von @pjakobs anschließen. Und denen von @geelinde auch. Nech. 😉

  7. Ian_Tacheles says:

    Ich möchte Dir Danken. Für mich bist Du nicht nur einfach ein kleiner roter Eimer der in einem Bollywoodstreifen mit gespielt hat, sondern Du bist ein Teil meiner Kraft die ich jetzt habe. Danke.

  8. Glückwunsch – an mich.
    Dafür dass ich Dich kennen darf.
    Ganz großer Wung
    von Deiner @wandklex Ingrid,
    die immer einen Platz für Dich frei hat am Esstisch.

  9. hach mein eimerchen, danke für die erwähnung in den namenlosen dankeshymnen. auch für mich war unsere begegnung sehr inspirierend und ich freue mich sehr darauf, dich endlich wiederzusehen.

    bis dahin viel kraft und öpve, um die widrigkeiten des lebens hinter dir zu lassen. du hast meine nummer. :-*

    ich drück dich.

  10. Roger says:

    Vermutlich hat jeder bei Twitter seine eigene kleine, große Geschichte zu erzählen. Ich finde es wundervoll, dass Deine eine so positive ist. Ich finde es ebenfalls wundervoll, dass ich ein kleiner Teil davon bin.

  11. sandra says:

    das ist das schöne an twitter, dass es durchaus auch ganz viele tolle menschen gibt 🙂 ich kann mich auch noch an unsere ersten tweets erinnern , irgendwas mit lambada tanzen oder kunststückchen für die neuen follower 🙂

    danke für das gegenseitige zuhören(lesen) :*

  12. Pingback: Perverser-Twitter-Massen-Serien-Wiederholungs-Täter • addict, kadenz, social media, Twitter • leumund.ch

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